Sonntag, 28. Juli 2013

herzgeschaufel.

Nach unserem phantastischen Angkor Wat Wochenende begann für uns die Arbeit im Waisenhaus in Samroang.

Noch immer etwas traumatisiert von unserer Vietnam-Waisenhaus-Erfahrung, stellte ich mich auf schlimme Verhältnisse ein und wurde zum Glück sehr positiv überrascht. Das von "Greenway Cambodia" gestiftete Waisenhaus wirkt von außen wie ein kleiner friedlicher Bauernhof. Umgeben von Feldern, Wiesen und Bäumen, bevölkert von Hühnern, Enten, Hunden und Kühen die durch das offene große Tor stets rein und raus spazieren, wann auch immer ihnen danach ist. 
Neben dem Haupthaus gibt es noch einen überdachten Ess- und Kochbereich und ein kleines offenes, zum Klassenzimmer funktioniertes Holzpavillon mit Palmendach. Auf der Wiese davor steht ein großer, total deplaziert wirkender, knallbunter Plastik-Playground mit Rutsche. In den letzten zwei Wochen habe ich kein einziges Kind darauf spielen sehen.^^ 


Es war bestimmt eine großzügige Spende von einem Belgier oder Holländer (offenbar wurden alle Greenway Projekte hier von Belgiern oder Holländern gesponsort), wahrscheinlich hätten sie den Kindern aber mit einem Holzgerüst eine größere Freude gemacht. Es scheint fast so, als ob ihnen der Playground nicht ganz geheuer ist.

Momentan leben dort ungefähr sieben Kinder im Alter von zwei bis dreizehn Jahren. Ganz genau kann ich nicht sagen, wieviele Kinder tatsächlich dort schlafen, weil die Anzahl der Anwesenden von Tag zu Tag variiert. Manchmal sind morgens nur zwei-drei Kinder da und am Nachmittag auf einmal bis zu zehn. Einige gehen vormittags regulär in die Schule, andere nur an manchen Tagen und gelegentlich sind auch Nachbarskinder mit im Unterricht. Wer genau nun abends im Schlafsaal des Haupthauses die Augen zu macht und wer woanders sein Bettchen hat, hat sich uns noch immer nicht ganz erschlossen.

Überraschenderweise ist das Englischlevel ganz gut. Der Direktor des Waisenhauses erzählte, dass die Eltern in der Nachbarschaft sogar neidisch auf die Waisen seien, weil diese durch die Voluntäre besseren Englischunterricht erhielten, als die Kinder die die normale Dorfschule besuchen. Das erklärt die Nachbarskinder im Unterricht :)


Generell sieht man überall auf dem Hof die Arbeit der vorherigen Voluntäre und uns stellte sich die Frage, was uns sechs neuen Voluntären noch zu tun bleibt. Alles schien mehr oder weniger fertig zu sein und das Unterrichten übernahm vor zwei Monaten eine französische Voluntärin. Wir warteten also auf Anweisungen von Mr. Ya, unserem Homestay-Papa. 
Er erklärte uns, dass sich in der Regenzeit auf der Wiese, die das Tor mit dem Haupthaus verbindet, manchmal ein kleiner See bildet und man dann regelrecht zum Gebäude schwimmen muss. Gerade für die ganz Kleinen ist das natürlich auch ein Risiko. Unsere Aufgabe sei es nun eine 12 x 2,5 Meter Einfahrt auszuheben, die dann mit Steinen gefüllt und auf die dann zum Schluss Beton gegossen wird. 
Wir bauen also eine Straße. Ganz ohne Maschinen. Wir haben 4 Spaten, 3 Schaufeln und 6 Eimer. Haha. 

Die ersten Tage wurde also Erde gehackt, geschaufelt und abtransportiert was das Zeug hält. Wirklich echte körperliche Arbeit, die uns vor allem in der Mittagshitze wahnsinnig ausgepowert hat. Alle zwanzig Minuten mussten wir kurze Trinkpausen einlegen und so manch einer kam auf sechs Liter Wasser am Tag. Klitschnass geschwitzt radelten wir mittags zurück zum Homestay und nach dem Essen fiel jeder erschöpft in eine Hängematte, um ein Schläfchen einzulegen bevor wir um 14 Uhr wieder auf unseren Fahrrädern zurück zum Waisenhaus fuhren. Nach ein paar Tagen waren wir soweit die ausgehobene Fläche mit Steinen zu befüllen.



In Deutschland würde man einfach eine kleine Lasterladung bestellen und sie direkt auf gewünschter Stelle auskippen lassen. Wir hingegen fuhren mit einem kleinen Traktor zur Greenwayschule, und sammelten mit unseren Händen Steine von einem großen Schuttberg in unsere kleinen Eimer und leerten sie auf der Ladefläche des Traktors. Dieses Prozedere wiederholten wir dreimal und jedesmal fuhren wir, mit triumphiernden Gesichtern auf dem Steinehaufen sitzend, durch das Dorf zurück zum Waisenhaus. Jedes Kind am Wegrand grüßte uns lautstark und manche rannten unserem Traktor johlend hinterher.






Unser wohlverdientes Wochenende verbrachten wir wieder in Siem Reap, wo wir uns im Spa erstmal den Rücken wieder einrenken ließen und den Fehler machten eine Krokodilfarm zu besuchen. "Farm" ist in diesem Zusammenhang eher gleichzusetzen mit "Gefängnis". Hunderte von Krokodilen zusammengefercht in kleinen schmutzigen Gehegen, warten nur darauf im dazugehörigen Restaurant verspeist oder im Souveniershop als Tasche verkauft zu werden. In der Wartezeit fungieren sie als Touristenattraktion und wer richtig was erleben will, kann für ein paar Dollar eine Ente oder ein Huhn aussuchen und zugucken wie es lebend verspeist wird. Widerlich. Ich bereue es sehr das ganze mit drei Dollar Eintrittspreis unterstützt zu haben.






Am Montag ging es wieder mit unserem Projekt weiter und diesmal hieß es wir können sogar schon anfangen Beton zu mischen. Wie ich lernte kommen auf 100 kg Zement 36 Eimer Sand. Und ich dachte wir hätten die Schaufelei hinter uns gelassen^^ Wir wechselten uns mit schaufeln und Eimer von A nach B tragen ab, um dann den fertigen Haufen auf dem Boden so lange mit Schaufeln durchzumischen bis alles einheitlich grau aussieht. Pi mal Daumen :D
Im Anschluss daran wurde das ganze mit Wasser vermischt und nach ein paar Warteminuten auf den Steinen verteilt. So ein Sand-Zement-Gemisch deckt ungefähr eine Fläche von 1,5 x 2,5 Metern. Man kann sich also ausrechnen wieviele Blasen wir an den Fingern vom Schaufeln haben.


Bis der Beton trocken ist dauert es ca. drei Stunden und in der Zeit hält es aber kein Tier für nötig außenrum vorbeizulaufen. Warum auch. Zurück von der Mittagspause entdeckten wir also Abdrücke von mindestens drei verschiedenen Tiersorten. Eigentlich sehen die Watschelabdrücke und Hundepfoten sogar ganz witzig aus, nur ein paar tiefere Löcher mussten wirklich nocheinmal ausgebessert werden. 

Tiere begleiten uns generell hier in Kambodscha. Dennoch staunten wir nicht schlecht, als am Donnerstag auf einmal eine zwei Meter lange tote Schlange auf dem Esstisch der Kinder im Waisenhaus lag. Der Direktor hatte sie auf dem Feld getötet und warum auch immer mit ins Waisenhaus gebracht. Die Kinder spielten vergnügt damit, während immer noch Blut auf den Boden tropfte.


Als wir nachmittags wiederkamen köchelte schon etwas würziges über dem Feuer und nun wurde mir klar, warum der Direktor die Schlange mitgebracht hat. 


Alle freuten sich auf den Snack und ums halt mal gemacht zu haben, probierten wir das Gericht letztlich auch. Ich muss sagen, dass ich neben den Gewürzen nicht wirklich viel geschmeckt habe, aber die vielen kleinen Knochenstücke im Mund haben mich dann doch wieder daran erinnert, was ich da gerade esse. 

Da Ling nach der ersten Woche so starke Schmerzen im Lendenwirbelbereich hatte (ehemalige Wirbelfraktur), unterstützte sie Lily (die Französin) in der zweiten Woche beim Unterrichten der Kinder, was ihr viel Spaß bereitete. Ich muss auch sagen, dass ich es sehr genieße in den Verschnaufpausen Zeit mit den Kindern zu verbringen. Für mich ist dieser Wechsel zwischen der sogenannten "Construction Work" und dem Rumtoben und Lachen mit den Kleinen das perfekte Volunteering. Trotz der anstrengenden körperlichen Arbeit nervt mich das Projekt überhaupt nicht. Schon gar nicht, wenn eine Horde Kinder auf mich zurennt, mich zur Begrüßung umarmt und ich abends mit einem ganzen Stapel gemalter Bilder beschenkt und einem Lächeln zurück zum Homestay radle.



Am Freitag hatte Lily ihren letzten Tag im Waisenhaus. Nach zwei Monaten unterrichten hatte sie eine sehr enge Bindung zu den Kindern aufgebaut und beim Abschied am Morgen flossen so einige Tränchen. Ich stelle es mir wahnsinnig hart vor für die Waisen, die sich gerade erst an eine Person gewöhnt haben und dann nach ein paar Wochen oder Monaten schon wieder Abschied nehmen müssen. Um die Stimmung ein bisschen aufzuheitern ließen wir uns dann am Nachmittag auf eine große Wasserschlacht ein und es war wirklich für fast alle ein riesen Spaß.

(Bilder von Ling, Collage von Melanie.)

Ein Junge war noch zu traurig und beschäftigte sich lieber alleine mit malen im Klassenzimmer. Wir hoffen ihn kommende Woche wieder zum Lachen bringen zu können. 
Doch dann heisst es für uns am Freitag aber auch schon "Goodbye" und ich habe jetzt schon ein mulmiges Gefühl bei dem Gedanken daran. 

// valentina