Dienstag, 6. Mai 2014

im blick zurück entstehen die dinge.

Anfang Januar hatte ich ein ganz komisches Gefühl im Bauch. Ich erinnerte mich daran, wie Valentina und ich vor einem Jahr anfingen, über die Möglichkeit zu sprechen, gemeinsam nach Asien zu gehen. Langsam begann die Planung und schwupps war es Zeit für den Abflug. Komisch, dass das schon so lange her ist.

In den vergangenen Tagen dann habe ich immer mal wieder verblüfft auf das Datum geschielt, denn wir sind vor einem Jahr und zwei Tagen nach Asien geflogen. Vor einem Jahr und zwei Tagen! Das ist Wahnsinn. Einerseits kann ich gar nicht verstehen, wie so viel in einem Jahr passieren konnte; die Zeit verging wie nichts. Gleichzeitig kommt mir die Reise so unendlich weit weg vor.
Nach wie vor vergeht nicht ein Tag, an dem ich nicht an Asien denke, immer glücklich, aber oft auch mit einem vor Sehnsucht schweren Herzen. Sowohl Valentina als auch ich erzählen noch immer so gern von kleinen Details. Und ebenso ist es natürlich auch schön, wenn man große Abenteuer auspacken kann!
Als ich nach dem Osterwochenende in der Mitfahrgelegenheit saß, fuhr ich mit mir ein Paar, das gerade vor eine Woche aus Asien zurückgekehrt war. Sie besuchten wie wir Myanmar, Thailand und Kambodscha, hatten aber nicht Vietnam, sondern Laos mit dabei. Wir konnten uns über so vieles austauschen! Als wir über Myanmar sprachen, konnte ich das Feuer auch in den Stimmen der beiden hören und ebenso hat es mir erneut verdeutlicht, was für ein Glück Valentina und ich hatten. Was für eine kostbare Erfahrung wir vor allem damit machen konnten, in diesen Ländern zu leben, von den Einheimischen zu lernen und uns auf eine völlig neue Lebensphilosophie einzulassen. Das ist schon etwas Besonderes. Und natürlich gefiel es mir besonders gut, dass ich den beiden Dinge über Myanmar erzählen konnte, die sie nicht wussten, obwohl sie auch da waren (;

Vor zwei Tagen zeigte mir mein Telefon die Erinnerung "Jahrestag Asien". Ich lag im Bett (lustigerweise bei Valentina zu Hause), kopfschüttelnd und dachte mir: "Wahnsinn. Das kann doch nicht so lange her sein?"
Ich erinnere mich noch ganz genau daran, wie Tom uns damals vom Flughafen abholte. Es war erdrückend heiß und ich war überfordert von all den Eindrücken. "Eure Rucksäcke könnt ihr ins Taxi schmeißen, dann fahren wir zum Guesthouse. Auf dem Weg dahin erzähle ich euch ein bisschen was." Okay, Rucksack rein und los ging die Fahrt durch die Stadt, die mir anfänglich wahnsinnig staubig und riesengroß erschien. Tom erzählte von der kommenden Woche und dem Waisenhaus, in dem wir arbeiten würden und es fiel mir schwer, mich darauf zu konzentrieren ihm zuzuhören. Ich wollte nur rausschauen und alles in mir aufsaugen. Die Häuser sahen so anders aus, die Gerüche waren ungewohnt und der Verkehr ebenso (das Lenkrad war immerhin mal rechts, mal links). Und ich dachte: "Oh Gott, Ling, und hier lebst du nun." Ich glaube schon am nächsten Tag war ich verliebt in Yangoon mit all seinen Besonderheiten: Mit den Betelnussspuckresten am Boden und dem Geruch der grünen Zigarillos in den Straßen und dem leckeren Tee (Lape) an jeder Ecke in den winzigen Teehäusern. Die Frauen mit dem Tanaka auf ihren Wangen und nahezu jeder mit einem fröhlichen "Mingalaba!" auf den Lippen. "Oh Gott, Ling, hier darfst du nun leben!"

Und schwupps war die Zeit um und all die wunderschönen Momente sind Erinnerungen geworden. Ich sitze in meinem Zimmer an meinem Laptop und muss mich nicht durch die Straßen Siem Reaps schieben, um mal ein Internetcafé zu finden. Ich schaue um mich und besitze so viel Kram. Letztes Jahr hatte ich eine zeitlang nur einen Rucksack voll und das reichte aus.

Was bleibt denn, abgesehen von den beeindruckenden Erlebnissen? Natürlich die Erfahrungen, die wir machten. Doch hin und wieder werde ich gefragt, wie Asien mich rückblickend veränderte. Mir ist natürlich bewusst, dass Valentina und ich "nur" dreizehneinhalb Wochen weg waren und dass wir dadurch, dass wir zu zweit waren, immer ein Stück Heimat an unserer Seite hatten und die Reise zu zweit sicherlich auch entspannter war. Gleichzeitig gingen wir mit Sicherheit auch Risiken ein, die wir alleine nicht eingegangen wären und hatten dadurch tolle Erlebnisse (ich erinnere an unsere zweistündige Motorradtour mit anschließendem power climbing). Doch was bleibt ist genau das: Ein gutes Gefühl. Ich glaube, ich bin generell entspannter und ruhiger geworden. Dann dauert die Fahrt eben keine dreiviertel, sondern zwei Stunden. Kann keiner ändern, also wieso sich darüber aufregen? Und ich glaube, dass ich auch im Umgang mit Menschen ruhiger geworden bin - oder zumindest möchte ich mir das gern einreden (; Ich brauche noch immer ganz schön viel Kram, vor allem die Dinge, die ich in Asien nicht einmal vermisste, aber ich glaube, ich brauche immerhin weniger Kram als im vergangenen Jahr. Und ich glaube, dass ich zum einen freundlicher gegenüber Fremden geworden bin (es ist zauberhaft, Menschen auf der Straße anzulächeln und zu sehen, von wie vielen man tatsächlich ein Lächeln zurückbekommt) und gleichzeitig weniger schnell richte. Die eine Betreuerin in dem College in Saigon sagte immer: "Was fremd ist, ist nicht besser oder schlechter, nur anders." Das blieb mir im Ohr.
Und Dankbarkeit, die bleibt auch.


// ling

1 Kommentar:

  1. Hallo meine Kleene, nachdem ich im vergangenen Jahr all` eure Posts mit viel Interesee gelesen habe, finde ich nach einem Jahr Abstinenz von Südostasien dein Resümee einfach spitzenmäßig geschrieben - nicht überdreht, sehr sachlich, glaubwürdig, aber mit einer spürbaren ungebrochenen Verbundenheit zu euren bereisten Länder und deren Menschen. Besonders gefällt mir, dass sich deine Sicht auf das Leben verändert hat und dir klar wurde, dass man soviel Konsumkram gar nicht braucht, um zufrieden und glücklich durchs Leben zu gehn. Behalte diese Einstellung. Das wünscht sich für dich von ganzem Herzen deine Kritikeroma. Grüße auich an Valentina.

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